Beitrag der LAG WfbM M-V in der Regionalkonferenz zum Umsetzungsstand des BTHG

Hier können Sie sich den Vortrag unseres Vorstandsvorsitzenden zum Thema „Teilhabe am Arbeitsleben“ ansehen:

Die dazugehörige Präsentation können Sie hier herunterladen.

Während der Diskussion im Forum „Teilhabe am Arbeitsleben„, sind folgende Ergebnisse herausgekommen:

Thema: Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt

Den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt schafft nur eine kleine Gruppe von Werkstattbeschäftigten. Das BTHG soll Bedarfe finden, diese decken und dabei die Wünsche der Personen berücksichtigen. Bei einer Befragung während eines Modellprojektes zum Budget für Arbeit der LAG WfbM M-V, wurde gefragt was sich die Menschen mit Behinderung für den Arbeitsmarkt wünschen. Über 95% waren der WfbM zufrieden. Nur ein Bruchteil der Befragten gab einen anderen Bedarf an. Es lag also nur ein geringes Interesse am allgemeinen Arbeitsmarkt oder besser gesagt an dessen Gegebenheiten. In einigen Außenarbeitsplätzen zeigte sich schon wie diese Gegebenheiten aussehen können. Beispielweise sind Arbeitsmaterialen abgenutzt und werden nicht erneuert oder es herrscht ein zu großer Leistungsdruck. Das Problem liegt bei der Leistungsgesellschaft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Ein direktes Beispiel aus einem Außenarbeitsplatz macht ein weiteres Problem deutlich. Als ein Beschäftigter mit normalem Werkstattentgelt in der Firma arbeitete, wurde er akzeptiert und ihm wurde geholfen. Als er jedoch durch das Budget für Arbeit fast genauso viel verdiente wie seine Kolleg*innen, entstand die Diskussion, dass der Beschäftigte genauso viel Geld für weniger Arbeit verdienen würde. Von den wenigen die den Sprung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt schaffen, gibt es aufgrund solcher Bedingungen auch eine gewisse Zahl an Rückgänger*innen, die sich in den geschützten Räumen der WfbM viel wohler und akzeptierter fühlen, da sie dort nicht „anders“ sind. Sind WfbM dadurch Sonderwelten? Erst Ausnahmen des Gesetzgebers lassen Sonderwelten entstehen, beispielsweise durch Corona-Regelungen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gelten. Macht die Entgeltsituation die WfbM zu einer Sonderwelt? Im VW-Werk in Wolfsburg verdienen Menschen überdurchschnittlich viel, ist das nun eine Sonderwelt? Der Sonderwelt-Status entsteht oftmals nur, weil die Außenwelt die WfbM abwertet, obwohl eine Vielzahl der Werkstattbeschäftigten dort zufrieden ist und einen gewissen Schutz erfährt.

Thema: Warum gibt es in M-V keine anderen Leistungsanbieter?

Es liegt nicht an den Vorbehalten gegenüber den anderen Leistungsanbietern, sondern eher daran, dass dieses Angebot bisher nicht nachgefragt wurde. Die Menschen haben ihr Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich anderer Leistungsanbieter nicht genutzt. Der Vorteil der anderen Leistungsanbieter liegt darin, dass ein höheres Entgelt gezahlt werden könnte. Diese Höhe wäre in einer normalen WfbM aufgrund des Solidarprinzips nicht möglich. Andere Leistungsanbieter könnten auch durch eine Spezialisierung auf bestimmte Tätigkeitsfelder oder bestimmte Bedarfe geschaffen werden. Es gab bereits Überlegungen einen anderen Leistungsanbieter für Menschen mit einer psychischen / seelischen Behinderung zu schaffen, da diese meisten von Arbeitsbereich in der WfbM abgeschreckt sind. Ein höheres Entgelt ist jedoch auch mit einem höheren Leistungsdruck verbunden. Aus der langjährigen Erfahrung der WfbM ist hervorgegangen, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung in der Regel leistungsfähiger sind als Menschen mit einer psychischen / seelischen Behinderung. Es wäre daher sinnvoll andere Leistungsanbieter danach auszurichten leistungsstarke Werkstattbeschäftigte zu beschäftigen, die dem Leistungsdruck gewachsen sind. Auch um negative Erfahrungen zu vermeiden.

Die Vorbereitung wäre sehr aufwendig. Zudem gibt es wenig Resonanz von den Leistungsträgern.

Könnte eine engere Zusammenarbeit mit dem Reha-Träger Angebote anderer Leistungsanbieter schaffen?

Ein Problem wird darin gesehen, dass selbst etablierte Leistungen zum Teil nicht verhandelt werden können und momentan vor der Schiedsstelle liegen. Nun muss abgewartet werden, wie die Leistungsträger auf neue Angebote für die anderen Leistungsanbieter reagieren. Dies ist zumindest die Situation in Rostock. Auch beim Budget für Arbeit waren die Verhandlungen schwieriger als erwartet. Durch die vergangenen Gesetzesänderungen ist vermehrt „Sand ins Getriebe“ gekommen, was auch der Beziehung von Leistungsträger und Leistungserbringer geschadet hat. Vielleicht wird es wieder besser, sobald sich beide Seiten eingespielt haben.

Thema: Wie werden die Entwicklungen beim Budget für Ausbildung aussehen?

Das wird zukünftig mehr thematisiert werden. Das Budget für Arbeit ist seit 2020 möglich. Einige WfbM und Bildungsträger befassen sich aktuell mit diesem Thema. Es wird jedoch kein großer Ansturm erwartet. Für die Wenigen, die es in Anspruch nehmen werden, wird es aber eine gute Alternative zu den bestehenden Leistungen darstellen. Eventuell wird es in zwei Jahren soweit sein, dass einige wenige Beschäftigte dieses Angebot in Anspruch nehmen. Es benötigt sehr viel Vorbereitung. Für Arbeitgeber ist das Angebot relativ attraktiv, da eine einhundertprozentige Kostenübernahme stattfindet. Es wird vermutet, dass es auch hier schwierig sein wird, Vereinbarungen zu schließen, da teilweise nicht einmal die richtigen Antragsformulare vorliegen. Das Angebot selbst ist auch kaum bekannt.

Gibt es Vorbehalte von Seiten der Betriebe beim Budget für Arbeit und Budget für Ausbildung?

Die Unternehmen sind in der Regel sehr offen gewesen. Bei einigen Arbeitgebern gibt es Unsicherheiten aufgrund des Sonderkündigungsschutzes. Sie befürchten, dass eine Trennung von den Beschäftigten dann nicht mehr möglich ist. Diese Unsicherheiten sind jedoch unbegründet, da das Integrationsamt individuell schaut, wie sich die Beschäftigten entwickeln und ob die Weiterführung des Angebotes noch Sinn macht. Meistens äußern die Beschäftigten selbst den Wunsch wieder in die WfbM zurückzukehren, wenn sie merken, dass das Angebot nicht ihren Bedürfnissen entspricht.

Die Geschäftsführer*innen sind in der Regel leicht zu begeistern. Die Probleme liegen eher in der Offenheit im Kollegium. Die Mitarbeiter*innen können sich nicht immer auf die Bedarfe der Beschäftigten einstellen. Auch Überlastungssituationen oder schlechte Erfahrung können zum Abbruch der Angebote führen. Einige Beschäftigte bleiben dann einfach zuhause, um diese Situationen zu vermeiden. Daher ist eine intensive soziale Begleitung nötig, die aber nicht immer ausreichend finanziert wird. Eine psychosoziale Begleitung kann für schwerbehinderte Beschäftigte über das Integrationsamt angefordert werden, wenn der Arbeitgeber selbst auf das Integrationsamt zugeht. Das Budget für Arbeit ist jedoch auch für Menschen ohne Schwerbehinderung möglich. Es wird angemerkt, dass es für Menschen mit einer psychischen / seelischen Behinderung schwer ist einen Grad der Behinderung zu bekommen, dadurch fallen einige aus der Förderung, was als problematisch angesehen wird.

Zusätzlich kennen viele Unternehmen in M-V gar nicht die Möglichkeiten. Eventuell müsse man eine bessere Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Die Situation ist aber leider in allen Bundesländern so. Es sind eher einzelne „Modellregionen“ in denen das Budget für Arbeit und das Budget für Ausbildung gut angenommen werden. Um diese Angebote zu bewerben braucht es zukünftig mehr Netzwerkarbeit und Werbung. Man müsse gute Praxisbeispiele vorzeigen und besser mit den Unternehmen kommunizieren. Es wird ergänzt, dass es aber auch schon seit 10 Jahren eine gute Netzwerkarbeit gibt und auch einige Unternehmen Interesse bekundet haben. Teilweise fehlen auch interessierte Werksattbeschäftigte. Einige Träger haben mehr Anfragen als Beschäftigte, für die das Budget für Arbeit in Frage kommen würde. Man würde dies auch gut an den Außenarbeitsplätzen sehen. Dort herrscht ebenfalls ein höherer Leistungsdruck, wodurch auch dort die Nachfrage auf der Seite der Werkstattbeschäftigten sinkt. Das Interesse liegt eher bei einer guten und wertschätzenden Arbeitsatmosphäre. Daher verbleiben viele lieber im Arbeitsbereich der WfbM oder wechseln zurück. Es müsste nur die Entgeltsituation besser werden. Es wird noch ergänzt, dass mit der erhöhten individuellen Betrachtung auch eine Steigerung der Kosten einhergeht.

Budget für Arbeit

Das Budget für Arbeit ist nur für eine Randgruppe an Werkstattbeschäftigten geeignet. Es bestand wenig Interesse und es wurden in diese Richtung nur wenig Bedarfe festgestellt (BTHG). Die LAG WfbM M-V hat ein Modellprojekt in M-V durchgeführt. Innerhalb des Projektes lief das Budget für Arbeit auch sehr gut, da es ausreichend finanziert wurde (75% Zuschuss für den Arbeitgeber). Es gab während des Projektes sogar eine Prämie für die Betriebe und für die WfbM, die die Vorbereitung und Begleitung geleistet haben. Das Projekt hat ergeben, dass eine Arbeitsassistenz und insbesondere eine soziale Assistenz wichtig sind. Letzteres fehlt aktuell noch. Insgesamt sind bisher 25 Menschen in M-V im Budget für Arbeit. Die Grenzen liegen weiterhin in der auskömmlichen Finanzierung des Angebotes.

In Greifswald wird das Budget für Arbeit so weitergeführt wie im Modellprojekt. Das liegt an der Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringer und Leistungsträger vor Ort. Der Leistungserbringer arbeitet offensiv am allgemeinen Arbeitsmarkt und differenziert den genauen Unterstützungsbedarf der Beschäftigten. Der Leistungsträger finanziert Fachleistungsstunden für die Arbeitsassistenz, Beratungsleistungen, Rücksprache etc.

Weiterhin ist das Budget für Arbeit unattraktiv für Menschen, die die volle Erwerbsminderungsrente bekommen. Diese bekommt man nach 20 Jahren in der WfbM. Über diese Zeit wurden die Beschäftigten gut qualifiziert und wären gut geeignet für das Budget für Arbeit. Aber durch die Erwerbsminderungsrente würde es sich nicht lohnen. Dahingehend wird gefragt, ob es eine ausreichende Beratung durch die Rentenversicherung geben würde. Innerhalb des Gesamtplanverfahrens findet dies schon statt. Einige Berater*innen haben für diesen speziellen Fall aber oftmals keine ausreichenden Kenntnisse. Das Integrationsamt wird dahingehend nur bei Menschen mit Schwerbehinderung aktiv.

Ein weiteres Problem beim Budget für Arbeit besteht darin den Personenkreis zu finden, der das Budget für Arbeit in Anspruch nehmen will. Viele Außenarbeitsplätze sind nicht besetzt, da die meisten Werkstattbeschäftigten lieber der „Leistungsträger“ in der WfbM sind, als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mithalten zu können. Bei Konflikten in den Betrieben müssten mehr arbeitsbegleitende Maßnahmen geschaffen werden. Viele Kostenträger finanzieren das jedoch nicht.

Sonstige Themen / Offen Fragen:

 

Thema Studium:

Es wird klargestellt, dass die Förderung für ein Studium nicht über Teilhabe an Bildung, sondern über Teilhabe am Arbeitsleben läuft.

Leistungsminderung

Es gibt oft keine ausreichende Refinanzierung. Es stellt sich die Frage wie ermittelt man überhaupt den Beschäftigungssicherungszuschuss? In M-V fehlt dahingehend ein einheitliches Instrument. Eine landesweite Abstimmung wäre sehr wünschenswert.

Öffentlicher Dienst

Inwiefern nimmt der Öffentliche Dienst seine Rolle ein, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen und passende Arbeitsplätze zu schaffen?